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Überlegungen zum richtigen Mähen

Das Ziel ist, ist eine Wiese mit einer großen Artenvielfalt. Blüten sollen Wildbienen die Nahrungsgrundlage zu bieten. Die Wiese soll einen möglichst großen Insektenreichtum aufweisen und damit auch Lebensgrundlage für Vögel, Amphibien und Reptilien bieten, bis hin zu Kleinsäugern wie Mauswiesel und Maulwurf.
Eine Wildwiese ist eine Kulturlandschaft.
Das bedeutet, dass wir die Wiese bewirtschaften – also mähen.
Wir möchten diese Eingriffe so wenig schädlich wie möglich halten; ein planvolles Vorgehen soll dies sicherstellen:
„Das Belassen von Altgrasstreifen beziehungsweise von Brachen, der Verzicht auf einen oder mehrere Schnitte pro Jahr oder die zeitliche Verschiebung des Schnittes sind wohl die wichtigsten Maßnahmen. Ein tierschonendes Befahrmuster, die Wahl des richtigen Mähgeräts, die Reduzierung der Arbeitsschritte und der Befahrung sowie eine angemessene Schnitthöhe ergeben zwar nur relativ kleine, unter Umständen aber für das Überleben einer Population entscheidende Verbesserungen“ (1)

Hier einige Überlegungen, wie Wiese gepflegt werden kann.

Häufige Mahd / Bearbeitung

Bekanntestes Beispiel ist der Golfrasen bzw der deutsche Einheitsrasen (2) (sic) . Erwünscht ist hier nur Gras, möglichst sogar nur eine einzige Sorte Gras. Alle anderen Arten sind unerwünscht. Um dies zu erreichen, wird der Golfrasen in sehr kurzen Abständen gemäht und außerdem mit Stickstoff gedüngt. Stickstoffdünger fördert das Gras. Das Gras bildet ein dichtes Wurzelgeflecht und selbst wenn ein Samen einer anderen Pflanze

hier hinfallen würde, hätte er keinen Platz zum Keimen. Durch die häufige Mahd wird außerdem jede Samenbildung anderer Pflanzen unterbunden. Gänseblümchen lasse ich mal außen vor.

Ähnlich beim Futtergrasanbau in der Landwirtschaft. Es wird nicht so oft gemäht wie beim Golfrasen oder der deuschte Einheitsrasen , das Gras soll ja Zeit haben, Masse zu bilden. Es sind auch andere Grassorten, die schnell hohen Ertrag bringen. Es wird dafür mit noch mehr Stickstoff gedüngt als beim Golfrasen. Mahd 6, 7, 8mal im Jahr. Auch hier keine Chance für andere Arten, sich zu etablieren. Die Futtergräser sind unter diesen Bedingungen sehr konkurrenzstark.
Wenn also eine Wiese, oder sei es nur ein Streifen neben einem Feldweg oder einer Straße, zu oft im Jahr gemäht wird, haben die meisten Pflanzen außer Gräsern keine Chance. Wird die Fläche gemulcht, das heißt, das Mähgut bleibt auf der Fläche liegen, gibt es zwei zusätzliche negative Effekte: Das liegende Mähgut verhindert die Keimung von Samen und vor allem, es verrottet schnell und düngt damit den Boden. Das fördert wieder die stark wüchsigen und deshalb stark zehrenden Gräser.
Wichtiger Grundsatz: Je nährstoffreicher ein Boden ist, desto eher setzen sich  wenige, stark zehrende Gräser durch.
Magerflächen sind im Gegensatz dazu viel artenreicher und mit vielen Kräutern besetzt. Sehr viele Wildblumen und Wildkräuter sind an magere Standorte angepasst. Hier haben sie die Chance, neben den dominanten Gräsern zu bestehen.
Deswegen, Mähgut immer abräumen – so wie es früher die Bauern gemacht haben, um Heu oder Futter zu gewinnen – und wie wir es auch machen. Düngen ist kontraproduktiv für unsere Ziele.

Seltene Mahd / Bearbeitung

Wenn gar nicht gemäht wird, würde die Fläche in Mitteleuropa über Büsche und Pionierbaumarten zum Wald.

Aber auch wenn man nur einmal im Jahr mäht und damit die Verbuschung weitgehend verhindert, kann das zu wenig sein. Viele Kräuter in der Wiese haben zwei Möglichkeiten, sich zu vermehren.
Sie blühen und bilden Samen und sie haben außerdem Wurzelorgane, mit denen sie sich ausdehnen können, z.B. Ausläufer. Die meisten Wiesenpflanzen sind übrigens ausdauernd, sie überwintern und treiben im nächsten Jahr neu aus. Damit diese Wiesenkräuter aber überleben können, brauchen sie Licht und Platz. Licht, damit sie Photosynthese betreiben können und Energie in ihren Wurzelorganen speichern können. Die Pflanzen brauchen Zeit, um diese Reservestoffe zu bilden und sie brauchen Zeit, um sich aussamen zu können.
Bedenkt man dies, ist die Versuchung groß, spät im Jahr zu mähen und nur einmal im Jahr.Jetzt kommt es aber darauf an, wie nährstoffreich der Boden ist. Ist der Boden nährstoffarm, ist eine Mahd genau richtig für die Kräuter. Sie können in aller Ruhe aussamen und Reservestoffe bilden.
Wenn die Pflanze aber ab Mitte Mai beschattet wird, weil sie in einer nährstoffreichen Wiese vom Gras überwuchert wird, kann sie zu wenig Reservestoffe bilden, sie treibt im nächsten Jahr kleiner oder gar nicht mehr aus. Sie kommt zwar vielleicht noch zur Blüte und vielleicht auch noch zur Samenbildung, aber die Samen haben in dieser Wiese keinen Platz, kein Licht, keine Chance zu keimen. Unsere Wiesenkräuter brauchen Licht und sind nicht so konkurrenzstark wie einige Gräser.

Warum mähen wir?

Wir konzentrieren uns voll auf eine naturschutzorientierte Mahd; ökonomischen Zwängen der Landwirtschaft unterliegen wir nicht.
Eine Wiese – auch eine Wildwiese – entsteht und überdauert durch menschliche Eingriffe – seit Jahrtausenden greifen wir in die Landschaft durch Landwirtschaft ein. Dies erschuf auch neue, für Pflanzen und Tiere sehr attraktive Flurformen. Eine Wiese ist so ein Lebensraum. Viele Säugetiere, Vögel und Insekten leben in diesen offenen, von Gräsern, Blumen, Kräutern und Sträuchern besiedelten Flächen.
Würden wir nicht regelmäßig durch Mahd eingreifen und die Fläche offen und relativ niedrig halten, würde über den Lauf einiger Jahre eine Verbuschung einsetzen und der Lebensraum würde sich stark verändern.
Mähen wir jedoch zu häufig, setzen sich nur schnellwachsende Pflanzen durch, häufig entstehen recht öde Grasslandschaften.
Es gilt somit, den goldenen Weg zu finden, der die typische Struktur und Artenvielfalt unserer Wiesen erhält.
Wir glauben, dass extensive Bewirtschaftung der Schlüssel hierzu ist.

Die erste Mahd sollte idealerweise zur Blütezeit der dominanten Gräser erfolgen.
Beispiel: erste Mahd um den 15. Mai. In einem sehr warmen Frühjahr vielleicht schon etwas früher, in einem kühlen Frühjahr etwas später. Eben wenn das Gras in voller Blüte steht. Das Mähgut wird nach wenigen Tagen von der Fläche geräumt. Damit räumt man Nährstoffe von der Fläche.

Die meisten Kräuter haben es jetzt noch nicht zur Blüte geschafft und sie haben auch noch wenig Reservestoffe gebildet. Aber sie treiben wieder aus. Das Gras wächst natürlich auch wieder nach,,aber nicht mehr so kraftvoll wie im frühen Frühjahr. Bekanntermaßen ist die zweite Heuernte weniger ergiebig als die erste. So bekommen die Kräuter mehr Licht und Platz und man kann sie nun zur Blüte und zum Aussamen kommen lassen. Eine zweite Mahd sollte man dann im September vornehmen, bis dahin ist das Gras dann doch ordentlich nachgewachsen und nimmt wieder viel Licht weg und außerdem müssen die Nährstoffe von der Fläche abgezogen werden (Abmagerung).
Verschiedentlich wird für sehr nährstoffreiche Böden dann noch eine dritte Mahd „Ausgang des Winters“ empfohlen, für die Phase des Ausmagerns, wohl selten als Dauermaßnahme. Ich habe damit nun gar keine Erfahrung, werde es in Hofheim aber auf kleiner Fläche zum Vergleich ausprobieren.
Das Stehenlassen des Grases auf der Fläche in den Dünen im nassen Sommer 2024 bis Ende September hatte übrigens noch einen negativen Effekt: Das Gras wurde sehr lang und legte sich auf die Erde, es lagerte. Damit wurden nun wirklich jede Fläche Boden und die meisten Kräuter vom Gras überdeckt. Diese Beobachtung zeigt auch, dass wir es derzeit mit einem nährstoffreichen Boden zu tun haben. Dies muss nicht so bleiben, ich vermute, dass der Sandanteil so nah am eigentlichen Dünengelände recht hoch ist, der Boden müsste also eigentlich leicht auszumagern sein. Auf dem mittelschweren Ackerboden in Hofheim ist das wesentlich schwieriger.
Da man nicht weiß, wie nass ein Sommer wird, erscheint ein früher erster Schnitt zumindest solange als notwendig, bis wir deutliche Anzeichen für ein erfolgreiches Ausmagern des Bodens beobachten können. Selbst wenn irgendwo noch eine einzelne Blüten aus dem Gras heraus schaut, sollten wir die Überwindung auf uns nehmen, trotzdem früh zu mähen und den Kräutern Licht und Platz zu verschaffen.

Auswirkung der Bewirtschaftung auf die Fauna

Aber: es gibt noch andere Aspekte. Eingangs sprach ich von den Insekten. Dazu zählen z.B. Heuschrecken, aber auch viele andere Insektenarten leben in der Wiese. Für die ist die frühe Mahd erst einmal eine massive Störung. Für die Wildbienen sind die Blüten im Mai und Juni auch wichtig. Das ist jetzt ein Dilemma. Mäht man nicht oder zu spät, ist das für die Pflanzenvielfalt schlecht, was im Nachgang dann auf Dauer auch für die Insekten zum Problem wird. Mäht manaber, dann ist erst mal alles kurz.Als Lösung wird deshalb vorgeschlagen, nicht die ganze Fläche am Stück zu mähen, sondern z.B. nur einen größeren Teil. Die Hälfte, dreiviertel oder so. Das, was beim frühen Schnitt  im Mai stehen bleibt, wird dann 8 bis 10 Wochen später gemäht. In der Zwischenzeit ist der erste Teil so nachgewachsen, dass er den Insekten wieder Schutz und Nahrung bietet, es blüht dann auch schon im ersten Teil. Der zweite Teil hat schon früher mit der Blüte angefangen und die Wildbienen hatten die ganze Zeit Blüten.

Für die Heuschrecken ist es übrigens von Vorteil, dass das Gras im ersten Teil wieder frischgrün austreibt nach der Mahd, während das Gras im zweiten Teil holzig wird und den Heuschrecken nicht mehr so schmeckt.

Es gibt Untersuchungen, wo auf zwei nebeneinander liegenden Flächen die Heuschrecken gezählt wurden. Die Zählungen wurden zweimal durchgeführt, einmal nachdem die Hälfte der Fläche gemäht worden war, und einmal davor. Wenig überraschend ist, dass nach der Mahd auf der gemähten Fläche deutlich weniger Heuschrecken gezählt wurden als vorher. Bemerkenswert ist jedoch, dass auf der nicht gemähten Fläche nebenan nach der Mahd der Teilfläche deutlich mehr Heuschrecken nachgewiesen werden konnten, als vorher auf dieser Fläche waren. Das heißt, sie sind in der Lage, nach der Störung von der gemähten Fläche in die ungemähte Fläche zu wandern.
Erste Mahd im zweiten Teil wäre dann also Ende Juli. Auf magerem Boden kann man es dann bei einer Mahd im Jahr belassen, wichtig ist dann, dass man im nächsten Jahr die Flächen tauscht. Das heißt, die Fläche, die erst Ende Juli gemäht wurde, wird im nächsten Jahr auf jeden Fall schon früh im Mai gemäht und umgekehrt. Je nachdem, wie nass der Sommer ist und wie schnell das Gras nachwächst, könnte ich mir aber zum Ausmagern auch einen zweiten Schnitt auf der zweiten Fläche Ende September, vielleicht auch Anfang Oktober, vorstellen.
Dann machen es uns die Insekten noch schwerer: es gibt einige Arten, die in alten Pflanzenstengeln überwintern oder die sonstwie über den Winter Bereiche brauchen, die nicht kurz vor dem Winter noch gemäht wurden. Auch für die sollten Flächen über Winter und auch in das Frühjahr hinein ungemäht stehen bleiben. Was der Pflanzenvielfalt tendenziell schadet. Auch diese Flächen sollten daher möglichst rotieren. Es muss auch nicht viel sein, so 10% der Fläche würde schon reichen.

Wie wirtschaften wir?

Unsere Wirtschaftsweise ist naturschutzorientiert.
Unser Ziel ist es, einen guten Kompromiss zwischen Schutz der Flora und der Fauna zu erreichen und Erhalt der Kulturlandschaft Wiese.
Gerade bei der Bearbeitung der Wiese kommt es zu starken Beeinträchtigungen der Fauna; diese versuchen wir durch angepasstes Vorgehen soweit möglich zu reduzieren.
WIe mähem witterungsangepasst, typischerweise einschurig oder zweischurig.
Das Mähgut wird getrocknet, geschwadet und zu Ballen gepresst oder bei hoher Verunreinigung durch Brombeerranken und im Stadtpark zusammen gerecht und kompostiert.

Der Leitgedanke ist, Gründland extensiv zu bewirtschaften. Extensiv genutztes Grünland ist artenreicher und resilienter gegenüber Veränderungen (3).

Wie mähen wir?

  • Wir befahren die Wiesen nur wenn nötig.
    Jede Überfahrt gefährdet im Boden lebende Tiere.
  • Wir mähen mit einem 1m20 Trommelmähwerk das auf mindestens 10cm Schnitthöhe eingestellt ist und unsere Arbeitsgeschwindigkeit ist langsam (ca. 3-5km/h).
    Je höher die Schnitthöhe, desto weniger am Boden lebende Tiere werden verletzt oder getötet. Eine langsame Arbeitsgeschwindigkeit in Kombination mit geringer Arbeitsbreite ermöglicht vielen Tieren und Insekten die Flucht.
  • Wir nutzen das Mähgut die Samen zur Impfung unserer Wiese.
  • Wir räumen die Wiesen vom Mähgut frei, um den Nährstoffeintrag so gering wie möglich zu halten.

„Auch wenn nicht alle […] Maßnahmen auf einer Fläche umgesetzt werden können, lohnt es sich immer, so viel wie möglich in den regulären Betriebsablauf zu integrieren. Bereits geringfügige Veränderungen können das Überleben einer Population sichern.“ (1)
Wir haben uns im Vorfeld Gedanken zur Wahl unseres Mähwerks gemacht.

Was sagen die Profis dazu

(1) VandePOeL, d. & zehM, a.(2014): Die Wirkung des Mähensauf die Fauna der Wiesen – Eine Literaturauswertung für den Naturschutz. – ANLiegen Natur 36(2): 36–51, Laufen, www.anl.bayern.de/publikationen
https://www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/doc/an36208van_de_poel_et_al_2014_mahd.pdf
Mähknigge,
https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/publikationen/daten/informationen/maeh-knigge_lfl-information.pdf

(2) Sturm, Zehm, Baumbach, von Brackel, Verbuchen, Stock, Zimmermann (2018): „Grünlandtypen. Erkennen – Nutzen – Schützen“, Steckbriefe wesentlicher Gründlandtypen Deutschlands, Wirtschaftsgrünland – Deutscher Einheitsrasen, S.72ff.

(3) Lotte Korell et al (2024): Land use modulates resistance of grasslands against future climate and inter-annual climate variability in a large field experiment, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/gcb.17418fbclid=IwY2xjawEuhHFleHRuA2FlbQIxMAABHXWneUSmCuSp48lnlq8TnSkmVcKKnjniS-5-9JReyE5QYwX5TBDh86mHbw_aem_3qkFw-O280XynvMGPYP-Yw